Wie Likes und Analytics mein Business zerstörten

Likes und Analytics

Im November vergangenen Jahres war bei mir der Punkt erreicht: Es. War. Einfach. Alles. Zu. Viel. Zu viel davon, was nicht zu mir passte. Zu viel, wie ich mich lenken ließ. Zu viel von Dingen, die mein Selbstwertgefühl ruinierten. Und ganz nebenbei belog ich mich jeden Tag selbst.

In den sechs Jahren, in denen ich selbstständig bin, hatte ich so manche Höhen und Tiefen erlebt. Davon habe ich dir zum Beispiel hier und hier und hier erzählt.

Ich habe mir über viele Dinge den Kopf zerbrochen, viel Zeit und Energie verschwendet, vieles umstrukturiert und vieles anders gemacht, als andere.

Aber da gab es unterbewusst immer wieder diese eine Sache, die ich so nicht richtig sehen wollte, nicht wahrhaben wollte, aber unterschwellig einen großen Teil meines Business lenkte. Und damit die Erkenntnis:

Ich war abhängig.

Von Social Media. Von Shares, Likes, Followerzahlen, Kommentaren, Analytics.

Und damit hatten die unglaublich cleveren Algorythmen mich voll im Griff – und ihr Ziel erreicht: Meine maximale Aufmerksamkeit. Um noch mehr über mich und mein Verhalten zu erfahren. Um mich noch mehr lenken zu können. (Wenn du mehr darüber wissen willst, solltest du dir auf – haha – Netflix mal die Doku ‚Das soziale Dilemma‘ anschauen. Unfassbar interessant…).

Die Warnlampen gingen bei mir erst an, als sie schon schrill rot leuchteten und ich erkannte, wie viel von meinem Selbstwertgefühl von Facebook, Pinterest und den Google-Analytics-Statistiken abhängig war.

Wie besessen schaute ich mehrmals täglich auf meine Blogaufrufe, checkte Statusupdates auf Facebook, beobachtete Klickzahlen auf Pinterest.

Und jedes Mal war da dieses Gefühl, versagt zu haben.

Oh, nur 3 Klicks? Nur 100 Leser beim neusten Artikel? Nur 2 Likes für einen Facebookbeitrag?

Es klingt ziemlich absurd. Ich weiß.

Zu Beginn habe ich mich gefreut, wenn sich überhaupt Leser zu Frau Chefin verirrten. Ich habe Parties gefeiert, wenn ich einen Kommentar bekommen habe. Ich habe mich erfolgreich gefühlt, wenn Google Analytics mir sagte, dass ich 3000 Seitenaufrufe hatte.

Und heute?

Bin ich enttäuscht, wenn ich monatlich „nur“ 8000 Seitenaufrufe habe, denn 10.000 könnten da ja auch noch drin sein. Wenn es kaum Reaktionen zu Facebookposts gibt, denn mein Beitrag war doch nicht schlechter als der andere, der viele Kommentare hatte, oder? Wenn auf Pinterest meine Aufrufe einbrechen, denn warum zur Hölle, ich habe doch nichts anders gemacht, als vorher?

Ich rannte schlichtweg nur noch Zahlen hinterher. Zahlen, die von intelligenten Computern gelenkt werden. Die darüber entscheiden, was gut ist und was nicht. Was du sehen sollst und was nicht. Und letztendlich keine echte Bedeutung haben.

Doch wie konnte es soweit kommen?

Der Grund dafür ist simpel: Mehrere Jahre waren das die einzigen Rückmeldungen, die ich regelmäßig und in Echtzeit für mein Tun bekam. Die einzigen Anhaltspunkte für Erfolg und Misserfolg.

Ich habe mich schlichtweg mit Zahlen identifiziert, weil ich auf andere Weise fast keine Bestätigung bekam. Oder so gering, dass ich sie als schön-aber-das-ist-eine-Meinung-von-100-Lesern abstempelte.

Wie auch sonst sollte ich wissen, was gut und nicht so gut ankommt, wenn ich keine Blogkommentare, Emails oder Likes erhalte? Denn damit wird heute extrem gegeizt. Ich schließe mich da keinesfalls aus. (Memo an mich: Ab sofort mehr Blogkommentare hinterlassen).

Ich hatte immer öfter das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Oh, ich hatte weniger Likes als XY für ihr Video? Warum hat sie so viele Kommentare und ich nicht? Und wie schafft AB es, so viele Views zu haben und ich habe nur so wenige?

Und schwupps, bin ich von Fehler Nummer 1 direkt in meinen altbekannten zweiten Fehler reingeschliddert: Ich sah wieder viel zu viel nach links und rechts, statt mein eigenes Ding zu machen.

Mir ist klar, dass ich nicht beliebter bin, nur weil ich Likes sammle. Dass mich geknackte Zahlenwerte zu einer erfolgreicheren Bloggerin machen. Oder dass viele Kommentare mir mehr Einnahmen bescheren.

Aber genau dieses Gefühl wollen sie mit Likes und Analytics erreichen.

Das Gefühl, in uns zu erzeugen, nur noch dies und jenes machen zu müssen. Nur noch diese und jene Zahl erreichen zu müssen, um endlich gut genug, erfolgreich genug, beliebt genug zu sein.

Ich bin mir sicher, dass uns GENAU DAS unterbewusst und über einen langen Zeitraum, ganz unbemerkt durch Social Media eingetrichtert wird.

Dass wir bereits mit der Erstellung unseres Accounts unser zukünftiges Handeln und vor allem Selbstwertgefühl in die Hände von sau intelligenten Computern legen, die uns psychologisch austricksen.

Und wir so nach und nach, Schritt für Schritt abhängig werden von Zahlen, Likes, Bewertungen, Kommentaren und Anerkennung. Und wir damit auch ein wenig süchtig werden nach dieser Bestätigung und Aufmerksamkeit.

Fakt ist: Keine Statistik kann dir die Bestätigung geben, die du brauchst.

Es wird auch nie dieser Moment kommen, an dem du endlich gut genug sein wirst.

Zumindest nicht, wenn du ihn von Zahlen und Analytics abhängig machst.

Vielleicht war dir das alles schon lange klar und du kannst über meine Naivität nur den Kopf schütteln. Dann gratuliere ich dir hier ohne Sarkasmus und Ironie. Bei mir hat das Ganze Jahre gedauert.

Ich weiß auch, dass es dort draußen Menschen gibt, die mich jetzt entsetzt ansehen, weil sie so mit Social Media gar nix an der Mütze haben – und nach diesem Artikel ganz froh darüber sind. Mein Mann ist zum Beispiel auf KEINEM EINZIGEN Social-Media-Kanal und konnte mein Gejaule im November überhaupt nicht nachvollziehen 😉

Ich weiß auch, dass man da technisch mit Timern nachhelfen kann. Ich weiß allerdings (noch) nicht, wie man heutzutage ein erfolgreiches Onlinebusiness führen kann, ohne EINEN EINZIGEN Social-Media-Kanal. Das ist mir tatsächlich noch schleierhaft.

Was wirklich zählt…

Was wirklich zählt, sind die Erfolge, die du mit deinen Kunden erzielst. Wobei du ihnen geholfen hast, was sie mit deiner Hilfe erreicht haben. Wie du sie positiv beeinflusst und bestärkt hast und wie du ihr Leben verändert hast.

Mein Ratschlag an dich:

Höre mal in dich hinein und sei ganz ehrlich zu dir: Wie reagierst du auf Likes, Zahlen, Kommentare?

Wie sehr beeinflussen sie dich, dein Selbstwertgefühl und dein Handeln?

Wie oft checkst du deine Kanäle, deine Abonnenten, deine Likes?

Wie häufig guckst du in Google nach deinen Analytics, deiner Reichweite und deinen Besucherzahlen?

Und wie persönlich nimmst du es, wenn die Zahlen anders sind, als du es erwartet hast?

Und noch eine Sache zum Schluss…

Bleibe dir selbst treu.

Bleib echt und ehrlich und halte dich an die Menschen da draußen, die genauso denken. Halte dich an echten Menschen fest, die sich die Zeit nehmen, dir zu schreiben, um deinen Rat bitten und dir einen Blogkommentar hinterlassen, der von Herzen kommt. Denn diese Menschen machen den Unterschied.

Für dich und für dein Business.

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12 Gedanken zu „Wie Likes und Analytics mein Business zerstörten

  1. So ich kommentiere jetzt mal, auch wenn ich das sonst eher nicht tue.
    Also ein reines onlinebusiness ohne social Media kann glaube ich nicht funktionieren, denn woher wissen die Leute denn, dass es das gibt? Weil man irgendwo davon gelesen hat. Oder man schaltet haufenweise Google ads könnte auch gehen.
    Wobei ich die ads eher unsympathisch finde und da meistens nur drauf drücke, um das Unternehmen zu ärgern 😉

    Und ich verfluche auch oft diese mysteriöse Reichweite bei Facebook, denn die erschließt sich mir überhaupt nicht. Aber das gute bei mir ist, ich versuche in social media nicht in erster Linie zahlende Kunden zu bekommen.
    Sondern für mich ist das so ein seeeehr langfristiges Projekt, mein Thema überhaupt in die Köpfe zu bekommen.

    Und content Marketing hat mir auch geholfen.

    1. Hallo Linda,

      da habe ich aber Glück gehabt, dass du hier kommentierst 😉

      Meiner Meinung nach gibt es auch noch andere sehr gute Wege, um mit einem Online Business bekannt zu werden und Kunden zu gewinnen. Aber so ganz ohne diese Social-Media-Kanäle sehe ich das nicht. Zumindesz noch nicht 😉

  2. Ein sehr, sehr ehrlicher Artikel und er trifft so extrem den Zeitgeist. Toll. Ich bin nun schon seit über 20 Jahren in „diesem Geschäft“ unterwegs, es hat sich in dieser Zeit wirklich extrem viel verändert. Während in den ersten Jahren alles irgendwie „neu“ war und vieles von selbst lief, immer mehr Menschen das Internet entdeckten, immer neue Rekorde – man war so geflasht. Und dann kam irgendwann ein krasser Knick. Denn immer mehr Inhalte produzieren natürlich auch immer mehr „Verteilung“. Die Statistiken sind im Grunde eigentlich „nur“ ein billiger Trick (oder soll ich gar Erpressungsversuch sagen?) der großen Anbieter für ihre Gewinnmaximierung. Denn nur die großen bestimmen im Internet noch wo der Traffic landet. Eine Sache habe ich bei meinen Projekten immer in den Mittelpunkt gestellt: Ohne „offline“ Empfehlungen geht gar nichts.

    1. Hallo Kai,

      dankeschön für deinen lieben Kommentar. Ich freue mich sehr, dass ich mit dem Artikel einen Nerv getroffen habe. Offline-Empfehlungen sind extrem wichtig, allerdings habe ich für mich festgestellt, dass Online-Empfehlungen genauso wichtig sind. Und wie lerne ich Menschen online kennen? Jopp, über Social Media. ein Teufelskreis 😉

  3. Hallo Isabelle,
    Ich bin durch deinen Beitrag in einer Facebook gruppe auf deinen Blog gekommen (Als feedback, es klappt)
    ich wünsche dir, dass dieser Beitrag viel Aufmerksamkeit bekommt und du viele Blogger damit anregen kannst, eben nicht diesem System zu verfallen. Er ist Gold wert. Ohne Social Media ist es meiner meinung nach nicht möglich bekannter zu werden. Aber vielleicht ist das richtige „Mindset“ einfach, von allem etwas, aber niemals zu viel zu konsumieren. Vor einiger Zeit fand ich in den weiten des Internets mal einen Beitrag darüber, dass es sogar eine Suchtform davon gibt.

    Wie auch immer… ich wünsche dir weiterhin ganz viel Erfolg und du machst das super! 🙂

    1. Hallo Tobias,

      danke für deinen tollen Kommentar! Und schön, dass du zu mir gefunden hast 🙂
      Es wäre großartig, wenn der Artikel sich verbreiten und viele Online-Unternehmer wachrütteln würde.
      Also gerne teilen 😉

      Viele liebe Grüße
      Isabelle

  4. I feel you!
    Ich versuche mich langsam von den Zahlen zu lösen – denn, ganz ehrlich, die sagen einfach mal so gar nichts aus. Sondern machen nur Stress.
    Was für mich auch noch zwei Knackpunkte sind: Die Zeit, die ich in die Contenterstellung versenke und dass der Content dann nach spätestens 2 Tagen im Nirvana verschwindet. Und die Abhängigkeit von der Plattform. Ich habe es neulich wieder erlebt, dass ein liebevoll aufgebauter Account gesperrt wurde, von dem ein Unternehmen bzw. eine Existenz abhängt. Das finde ich für mich fragwürdig und das möchte ich so nicht.

    1. Da sprichst du einen sehr wunden und interessanten Punkt an! Die existenzielle Abhängigkeit von einer Plattform – das ist einfach absurd. Und auch diese immense Vergänglichkeit. Deshalb ist auch mein Steckenpferd nicht Live-Videos oder Social-Media-Videos, sondern Webseitenvideos. Das macht mehr Spaß, veraltet nicht so schnell und ist nicht stressig 😉

  5. „Fakt ist: Keine Statistik kann dir die Bestätigung geben, die du brauchst.

    Es wird auch nie dieser Moment kommen, an dem du endlich gut genug sein wirst.“

    Liebe Isabelle,
    diese Worte habe ich mir eben abgeschrieben. Meine Seite ist zwar erst knapp 5 Monate alt, auf Pinterest bin ich seit 6 Wochen. Aber auch ich bin zahlenanfällig und muss bei mir auch aufpassen, meine Gefühlswelt nicht von Computern abhängig zu machen (klingt irgendwie schräg :D). Deshalb geht mir dein Artikel wirklich zu Herzen.

    Und gleichzeitig kann ich hinter einige persönliche Entscheidungen einen Haken machen. Ich habe mich nämlich bisher nicht bei Google Analytics angemeldet – einfach deshalb, weil ich die Anmeldung nicht verstehe. Ich weiß nicht, was Google da von mir will. Und auch meine Jimdo-Statistik habe ich ausgeschaltet. Gezählt werden nämlich nur die Besucher, die einer bestimmten Cookie-Einstellung zustimmen.

    Ende März habe ich dann aus persönlichen Gründen entschieden, mich von Social Media zu verabschieden (Facebook und LinkedIn). Ich habe nämlich auch eingesehen, dass ich mir, im Grunde genommen, selbst was vormachte. Aber dann kamen dieselben Gedanken wie bei dir: Überall liest man ja, man soll Social Media zur Trafficsteigerung nutzen. Ist meine Entscheidung also richtig? Heute sage ich: Ja, für mich fühlt sich die Verabschiedung von „Social“ Media richtig an :-).

    Ich kann dich nur zu gut verstehen, wenn du schreibst, dass du dir Bestätigung für dein Herzensprojekt wünschst. Mir geht es auch so. Es steckt eben so viel Liebe und Herzblut in der eigenen Seite :-). Und wenn ich dir etwas sagen darf – Dein Herzblut ist definitiv spürbar :-). Und ich komme bestimmt nun öfters vorbei, denn das Thema Video-Pins interessiert mich :D.

    Alles Gute für dich, liebe Isabelle, mach einfach weiter so.
    Herzensgruß, Kirsten

    1. Liebe Kirsten,

      dein Kommentar lässt mich vor Freude hüpfen! Der ist mir wirklich sehr nah gegangen. Du hast so früh so vieles richtig(er) gemacht! Finde ich Klasse!
      Verrate mir nur mal, wie du dich komplett von Social Media verabschieden konntest. Ich packe das immer noch nicht 😀

      Vielen, vielen Dank, dass du mir in deinem super lieben Kommentar wieder Bestätigung gegeben hast, dass ich das hier richtig mache – und vor allem mein Herzblut spürbar ist.
      Freue mich sehr darauf, wenn du hier öfter vorbeischaust.

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