Immer reden alle nur davon, wie man mehr Geld verdienen kann. Wie man in kürzester Zeit noch mehr verdienen kann, welche Möglichkeiten es gibt und wie man als Selbstständige einen mega Umsatz machen kann. Worüber kaum jemand redet, ist, dass Selbstständigkeit auch Geld kostet. Dass man laufende Kosten und Abgaben hat. Deshalb wird es Zeit für einen weiteren Augenöffner. Über Geld redet man nicht? Doch, wir schon!
Einer der häufigsten Gründe, warum Selbstständigkeiten irgendwann aufgegeben werden, ist nicht etwa, dass einem die Bürokratie über den Kopf steigt, oder die Leidenschaft nachlässt. Einer der häufigsten Gründe ist, dass Selbstständige mit vielen Ausgaben nicht gerechnet haben, sie sich schön gerechnet haben und mit ihren Einnahmen diese nicht decken konnten. Sie hatten keine Chance, wirtschaftlich zu arbeiten und stellen dann irgendwann fest, dass die Kohle nicht reicht.
Das ist natürlich Käse!
Einst sind diese Unternehmerinnen mit Motivation, Leidenschaft und einer tollen Vision gestartet, haben wahnsinnig viel Zeit, Nerven und auch Geld in ihr Business gesteckt, um dann irgendwann festzustellen, dass es nicht weitergeht. Dass ihr Business nicht rentabel ist, dass der Kontostand in einem bedrohlichen roten Bereich ist und es keine andere Möglichkeit mehr gibt, als wieder zurück in eine Festanstellung zu gehen.
Man muss beim Geld beide Seiten betrachten
Es gehört nämlich nicht nur dazu, die Ausgaben im Blick zu behalten, sondern auch den eigenen Stundensatz so zu berechnen, dass er wirtschaftlich ist. Gerade am Anfang ist man als Selbstständige wahnsinnig unsicher.
„Wir sind so begeistert von uns selbst, dass wir am Liebsten wahnsinnig viel Geld für unser Produkt verlangen würden.“
Auf der einen Seite finden wir unser Produkt, unsere Dienstleistung, unsere Arbeit als unheimlich wertvoll. Wir sind so begeistert von uns selbst, dass wir am Liebsten wahnsinnig viel Geld dafür verlangen würden. Die Euronen-Zeichen blinken uns geradezu in den Augen und wir würden uns am Liebsten im geld baden sehen – du weißt schon, wie Donald…
Auf der anderen Seite sind wir aber auch unheimlich unsicher. Wie viel wird gezahlt? Kauft dann überhaupt jemand? Wie teuer bin ich im Gegensatz zu anderen? Ist das nicht wahnsinnig viel Geld? So ein Stundensatz von 40 Euro?
Alles gute und berechtigte Fragen! Und auch wenn du das vielleicht nicht vermutet hast, ich stelle sie mir bei jedem neuen Produkt, das ich launche. Und ich schwanke genauso. Mein Vorteil: Ich habe mittlerweile einen ganz guten Überblick, was „die Norm“ ist und kann mich daran ein bisschen orientieren.
Bei meinem allerersten größeren Auftrag war das noch ganz anders
Ich saß in einem schicken Büro bei einem IT-Unternehmen. Ich sollte für eine App die Videos und Audiotracks produzieren. Über einige glückliche Zufälle wurde ich diesem Unternehmen empfohlen. Mein Gefühlschaos war allerdings EXAKT das, was viele Selbstständige zu Beginn erleben: Ich wollte diesen Job unbedingt haben! Aber ich hatte in diesem Umfang so etwas noch nie gemacht. Ich hatte keinen blassen Dunst, wie viel man verlangen kann, wo die Grenzen zwischen „Schnäppchen“ und „dreiste Überbezahlung“ lagen.
Blauäugig wie ich damals noch war, dachte ich einfach, ich gehe dort zum Gespräch und dann schauen wir mal. Heute würde ich mir bei so etwas wahnsinnig viel Kopf machen. Einerseits ist das besser, andererseits schlechter.
Irgendwann kam die Frage nach meinem Stundensatz. Mega selbstbewusst hörte ich mich da ganz souverän sagen: 40 Euro. Richtig realisiert hatte ich diese Aussage erst, als ich wieder auf dem Heimweg war – mit dem Auftrag in der Tasche.
Ich persönlich dachte damals, ich hätte den mega Reibach gemacht! 40 Euro die Stunde hatte ich noch NIE verdient. Und dann bekam ich diesen Auftrag direkt am Anfang meiner Selbstständigkeit. Ich kam mir vor wie King Currywurst. Im Nachhinein weiß ich, dass sich das IT-Unternehmen mit Sicherheit ins Fäustchen gelacht hat, weil sie unheimlich viel Geld gespart haben, da ich in ihren Augen unglaublich billig war.
Wie sollen wir wissen, was wir verlangen können, wenn niemand über Geld redet?
Ich habe noch nie verstanden, warum alle so ein Geheimnis um ihre Einnahmen oder ihr Gehalt machen. Weil sie Angst haben, sie könnten schlecht da stehen? Wie soll man denn mit einem guten Gefühl in Gehaltsverhandlungen gehen, wenn man absolut keine Ahnung hat, was so der Durchschnitt ist, man keinen Anhaltspunkt hat?
Zudem kommt das große Problem, dass Stundensätze als Selbstständige unheimlich variieren. Nicht nur innerhalb einer Branche, sondern vor allem branchenübergreifend.
Ein Beispiel: In der Veranstaltungstechnik liegt der übliche Stundensatz bei 25-30 Euro. Dass das viel zu wenig und in den meisten Augen unrentabel ist, brauchen wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Mediengestalter oder Designer haben meiner Erfahrung nach im Schnitt einen Stundensatz von 40-60 Euro. Und ITler verlangen in der Regel 80-120 Euro. Allerdings sind das Durchschnittswerte und zudem auch wieder von Region zu Region variabel.
Sprich, wir haben jetzt zwar Werte vor der Nase, wissen aber immer noch nichts Genaueres.
Die Onlinewelt bringt etwas Transparenz rein
Und daran sind wir alle gemeinsam schuld. Weil es irgendwo in unserem Kopf dieses ungeschriebene Gesetz gibt, dass man über Geld nicht redet. Dass sich das nicht gehört. Tief verwurzelt in unserer Erziehung.
Seit es verstärkt Coaches, Berater und Dienstleister im Internet gibt, die zumindest bei ihren Paketen Preise auszeichnen, haben wir etwas mehr Transparenz. Was uns aber nach wie vor als Anhaltspunkt fehlt, ist, wie viele Stunden diese Menschen bei einem Paketpreis letztendlich arbeiten. Und das ist auch wieder wahnsinnig variabel. Einige haben einen großen Zeitaufwand bei der Erstellung der Unterlagen, andere investieren mehr Zeit in die 1:1-Betreuung. Einige Coaches rufen fünfstellige Beträge auf, andere sind noch im dreistelligen Bereich.
Sprich, wir haben auch hier wieder das Problem, dass wir zwar Preise haben, aber auch diese alles andere als transparent sind.
Warum gibt es einen Mindestlohn, aber keinen Mindeststundensatz bei Selbstständigen?
Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Schließlich müsste auch der Regierung einiges daran liegen, dass Selbstständige möglichst lange selbstständig sind. Denn wer selbstständig ist, ist immerhin nicht arbeitslos…
Warum so viele Selbstständige irgendwann pleite sind, hat mehrere Gründe: Entweder sie hatten einfach wahnsinnig viel Pech, was ich ganz furchtbar finde. Andere haben einfach zu hohe Ausgaben und konnten ihre Kosten nicht decken.
Was aber gerade zu Beginn viele vergessen, ist, dass bei Selbstständigen ein Stundensatz immer brutto ist. Die 40 Euro, die wir verlangen, haben wir lange nicht in der Tasche. Davon gehen nicht nur die Steuern ab, sondern wir müssen auch weitere Kosten abziehen. Und da bleibt manchmal nicht sooo wahnsinnig viel übrig.
Mein Plädoyer zum Schluss
Ich kann an dieser Stelle nur sagen, lasst uns gemeinsam für mehr Transparenz sorgen! Unterstützen wir uns gegenseitig und helfen wir anderen Selbstständigen, sich einen Überblick zu verschaffen, was „normal“ ist! Lasst uns anderen zeigen, was zu wenig und was viel ist, wieviel Geld man verlangen kann und was unrentabel ist. Lasst uns gemeinsam langjährigen Selbstständigen einen Schubs geben, ihre Preise anzupassen!
Ich finde es super, dass du ganz offen über dieses Thema schreibst. Ich bin gerade dabei mir Online ein Business aufzubauen und versuche Fehler zu vermeiden die Andere bereits gemacht haben.